- Frühsozialismus: Eigentum ist Diebstahl
- Frühsozialismus: Eigentum ist DiebstahlSoziale Gegensätze und Nachdenken über AlternativenProudhons Gesang klang rau, und sein Text war voller Kraft, ein Angriff gegen das Eigentum, wie er vordem noch nie ergangen war«, so schrieb Ernst Bloch in »Prinzip Hoffnung«. Der Franzose Pierre Joseph Proudhon hatte bereits im Titel seiner berühmten ersten Schrift »Was ist Eigentum?« (1840) gefragt und geantwortet: »Raub.« Der Satz »Eigentum ist Diebstahl« hatte ihn berühmt gemacht. Hundert Jahre zuvor hatte schon Jean-Jacques Rousseau die Entstehung des Eigentums auf einen ersten Gewaltakt zurückgeführt. Im Gegensatz dazu sah Proudhon diesen »Raub« als ständige Aneignung eines in der Arbeit erzeugten Mehrprodukts. Er stellte die Frage »Warum?« und antwortete, dass diese Aneignung durch nichts gerechtfertigt sei.Kompromisslos wandte er sich gegen alle bis dahin bekannten Begründungen einer Rechtmäßigkeit dieser Aneignung und damit des Eigentums. Nur weil einer besser arbeite als der andere, habe er kein Recht auf Besitz; auch Erwerb durch Erbschaft lehnte er ab. Die Teilung der Gesellschaft in Besitzende und Nichtbesitzende, in Arme und Reiche, in Freie und in Abhängige und die daraus folgende Auseinandersetzung um die Rolle des Eigentums hatte das Denken in der Zeit von 1650 bis 1850 unterschwellig immer mitbestimmt.In dieser Zeit wandelten sich das Wirtschaftsleben, die politischen Hegemonien und Strukturen, das Sozialsystem und nicht zuletzt die sie begleitenden sozialtheoretischen Ideen. Trotz aller auch positiven Veränderungen vertiefte sich die Spaltung der Gesellschaft in Besitzende und Nichtbesitzende. Die Leibeigenschaft wurde zwar Schritt für Schritt beseitigt, an ihre Stelle traten jedoch andere Formen sozialer Unterdrückung und Ungerechtigkeit. Diese soziale Situation kollidierte aufs Schärfste mit der Grundidee der Aufklärung, dass alle Menschen von Natur aus gleich seien.Ein Traum: Gerechte Verteilung, gleiche soziale StellungIn einer Vielzahl von Reden, Schriften, romanhaften Darstellungen oder, lebendig praktiziert, in religiösen und nichtreligiösen Gemeinschaften artikulierte sich der Traum von einer Gesellschaft mit gerechter Verteilung des Eigentums und gleicher sozialer Stellung aller Gesellschaftsmitglieder. Die Ausdrucksweisen, in denen dies überliefert ist, sind vielfältig. Sie reichen vom Aufschrei der Empörung der Sprecher der plebejischen Schichten in der englischen Revolution des 17. Jahrhunderts bis zur Ausarbeitung umfassender wissenschaftlicher Theoriengebäude in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Es finden sich moraltheoretische Traktate von Priestern darunter, aber auch Theaterstücke und romanhafte Darstellungen, wie wir sie heute als Sciencefiction kennen. Immer geht es um die Frage: Wie entsteht die ungerechte Aneignung und wie könnte eine Gesellschaft ohne soziale Differenzierung aussehen?Nach der Französischen Revolution vollzog sich der Übergang von der spekulativen zur empirischen Sozialwissenschaft. Dieser Vorgang beeinflusste sowohl die Eigentumskritik wie auch die Konstruktion neuer Gesellschaftsmodelle nachhaltig. Die neuen Modelle wurden nicht mehr aus Prinzipien und Grundsätzen spekulativ abgeleitet, sondern aus einer als notwendig angesehenen gesellschaftlichen Entwicklung gefolgert. Auch die Ziele der Kritik wandelten sich. Während zum Beginn dieser Periode vorwiegend der Feudalbesitz beseitigt werden sollte, rückte zur Zeit der großen Französischen Revolution der aus Spekulation, Handel und kolonialer Ausbeutung erworbene Besitz in das Zentrum der Kritik.Am Beginn des 19. Jahrhunderts schob sich der Gegensatz zwischen der Industriearbeiterschaft, die sich selbstbewusst Proletariat nannte, und dem wohlhabenden Bürgertum, der Bourgeoisie, ins Zentrum der Überlegungen und damit der Besitz an Kapital. Während die frühen Theoretiker die Ursache der gesellschaftlichen Spaltung im moralischen Zerfall und in der Bereicherungssucht der Menschen sahen, trat am Ende des 18. Jahrhunderts die Vorstellung von ökonomischen Gesetzmäßigkeiten ins Zentrum der Aufmerksamkeit.Was ist Frühsozialismus?Theorien, die eine gerechte Verteilung des Eigentums und somit soziale Gleichheit fordern, werden im weiteren Sinne sozialistische genannt. Der Begriff »Sozialismus« geht auf das lateinische Wort socialis, »gemeinschaftlich«, zurück. Im heute geläufigen Sinne bildete er sich erst relativ spät heraus, nämlich zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Frankreich als Gegenbegriff zu dem auf den Menschen als Einzelwesen abhebenden individualisme (Individualismus) heraus. Er wurde in der Zeitschrift der Anhänger des französischen Sozialphilosophen Charles Fourier, »Le Globe«, als eine auf die Gemeinschaft bezogene Denkweise verstanden. Unter dem Einfluss des britischen Unternehmers und Sozialreformers Robert Owen entstand die »Assoziation aller Klassen und Nationen«, deren Mitglieder sich seit 1839 Sozialisten nannten. Owen selbst überschrieb einen von ihm verfassten Beitrag 1841 mit der Frage »Was ist Sozialismus?«.Seit der Entstehung der modernen Arbeiterbewegung wird dieser Begriff auf jene Strömung in ihr angewendet, die sich die Beseitigung des Kapitalismus und den Übergang in eine andere, eben die sozialistische Gesellschaftsordnung zum Ziel gesetzt hat, sei es auf friedliche oder gewaltsame Weise. Friedrich Engels beschrieb den Bedeutungswandel und den entsprechenden Gebrauch des Wortes »Sozialisten« 1888 rückblickend für die Mitte des 19. Jahrhunderts wie folgt: »Unter Sozialisten verstand man 1847 einerseits die Anhänger der verschiedenen utopischen Systeme, die Owenisten in England, die Fourieristen in Frankreich...«, die sich aber bald differenzierten: »So war denn 1847 Sozialismus eine Bewegung der Mittelklasse, Kommunismus eine Bewegung der Arbeiterklasse.« Doch schon zu Engels' Lebzeiten hatte sich die politische Bewegung der Arbeiter weitestgehend unter der Bezeichnung Sozialisten oder Sozialdemokraten vereint. Erst als sich die Arbeiterbewegung am Beginn des 20. Jahrhunderts spaltete, gewann auch die terminologische Trennung in Kommunisten, Sozialisten und Sozialdemokraten schärfere Konturen. Vor 1830 wurde der Begriff Sozialismus auch angewandt, wenn die Beibehaltung des Kleineigentums bei kooperativer Nutzung für möglich gehalten wurde, während Kommunismus die völlige Beseitigung des Eigentums an Produktionsmitteln und die absolute Verteilungshoheit und Fürsorgepflicht des Staates vorsah. Doch diese Trennung war nirgends endgültig.Desgleichen ist kaum schlüssig darzulegen, welche Theoretiker als sozialistische zu bezeichnen sind und welche nicht. Karl Kautsky hatte in seiner Schrift »Vorläufer des neueren Sozialismus« (1895) in die Reihe der Vorleistungen Elemente von Platons Staatsauffassung ebenso aufgenommen wie die auf der Bibel fußenden frühchristlichen Gütergemeinschaften, die Eigentumslosigkeit in den mittelalterlichen Mönchsgemeinschaften ebenso wie Lebensformen der gegen die Kirche gerichteten christlichen Rebellenbewegungen des Mittelalters.In diesem Sinne fußen auch die utopischen Gesellschaftsvorstellungen in der Zeit von 1650 bis 1850 auf einem reichen Fundus von Autorenleistungen. Andererseits ist die Entwicklung sozialistischer Ideen weder mit dem »wissenschaftlichen Sozialismus« von Marx und Engels abgeschlossen noch mit dem Untergang des Sozialismus als Staatsordnung. Insofern sind die Termini »Frühsozialismus« und »Frühsozialisten« als historische Kategorie zu betrachten.Zur Geschichte des frühsozialistischen DenkensZunächst, wie du weißt, wird bei allen Völkern die Herrschaft über die Erde durch Kaufen und Verkaufen geregelt. Dagegen führt dir der folgende Entwurf eine Regierung vor, die ohne Kaufen und Verkaufen über die Erde verfügt, und ihre Gesetze sind die eines freien und friedfertigen Gemeinwesens, das alles austilgt, was vom Übel ist«, schrieb Gerrard Winstanley zur Zeit der englischen Bürgerkriege (1642—49). Eine Gesellschaft, die alles ausrottet, was von Übel ist, den Hunger, die Kriege, den moralischen Zerfall, das war der Traum. Alle sollten Nahrung haben, aber auch gesicherte Bildung und Ausbildung.Winstanley entwickelte eine neue Form kommunistischer Gleichheitsvorstellungen für die ärmeren bäuerlichen Schichten der Nachfeudalzeit. Sie richteten sich gegen die Geldwirtschaft, die die einfachen Tauschformen der Naturalwirtschaft ablöste. In England begann das Bauernsterben, weil die Händler die Bauern in den Bankrott trieben. Dennoch waren Winstanleys Vorstellungen konservativ, weil er das idealisierte mittelalterliche Bauerntum wie das Handwerk schützen wollte. Da er jedoch das Bestehende infrage stellte und zu seiner Überwindung aufrief, unterlagen die Anhänger seiner Ideen wie andere Rebellen auch massiven Verfolgungen.In Frankreich griffen Jean Meslier, Gabriel Bonnot de Mably und Morelly (sein Vorname ist nicht bekannt) diese frühsozialistischen Gedanken auf. Auch sie artikulierten vorrangig die Interessen der französischen »Dorfarmut«, die nicht nur unter der feudalen Unterdrückung, sondern ebenfalls unter den Folgen der Geld- und Kreditwirtschaft leiden mussten. Als Zeitgenossen Jean-Jacques Rousseaus in der Blütezeit der französischen Aufklärung vertieften sie die Eigentumskritik; ihre Gleichheitsvorstellungen basierten auf naturrechtlichen und gesellschaftsvertraglichen Begründungen. In der von Morelly erträumten Staatsform herrscht nicht mehr die gottgegebene Hierarchie, sondern die Zahl: Die Gesellschaft wird in abzählbare Einheiten aufgeteilt, um eine gerechte Versorgung aus den Vorratslagern zu gewährleisten. Alle Menschen sind gleich. Das Mathematische, Ausdruck der Berechenbarkeit und der neuen Wissenschaftsgläubigkeit, bestimmt nun die Ordnung des Zusammenlebens.Noch war die Kritik des Eigentums allgemein und aus ethischen Prinzipien abgeleitet. Wie die bisherigen Utopisten glaubten auch Meslier, Morelly und Mably, es genüge, die Gesetze und die Moral zu ändern, und schon breite sich der Fortschritt als ständige Entwicklung flächendeckend aus. Doch in dem Maße, in dem sich kapitalistische Manufaktur, Industrie und Handel entfalteten, wurden auch ihre Widersprüche unübersehbar. Wirtschaftlicher Fortschritt erzeugte nicht unbedingt moralischen Fortschritt. Die Vorstellungen der Aufklärung, nach der Beseitigung der absolutistischen Herrschaftsform würde das soziale Leben nach den Prinzipien der Gerechtigkeit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit gestaltet werden, erwiesen sich schon bald als Illusion.Der Revolutionär Jacques Roux hatte 1793 im »Manifest der Zornigen«, das er an den Nationalkonvent richtete, festgestellt: »Seit vier Jahren ziehen allein die Reichen Nutzen aus der Revolution. Die Handelsaristokratie, schlimmer als die adlige und geistige Aristokratie, hat sich ein grausames Spiel daraus gemacht, die Privatvermögen und die Schätze der Republik an sich zu reißen«, um dann zu fragen: »Was denn! Soll das Eigentum der Gauner unverletzlich sein?« Doch der Konvent beschloss die Unverletzlichkeit des Eigentums. Das Bürgertum bestand darauf, dass die rechtliche Gleichheit das Höchste und Letzte sei, was die Revolution erreichen könnte. Das stieß auf Widerspruch.In Antwort auf diese Situation wollte François Noël Babeuf, der sich nach den beiden Volkstribunen aus der Anfangszeit der Römischen Revolution im 2. Jahrhundert v. Chr. auch Gracchus nannte, mit der »Verschwörung der Gleichen« die neue Gesellschaft mit Gewalt und gegen das neue Bürgertum durchsetzen. Es sollte eine »Gemeinschaft der Güter und der Arbeiten« geschaffen werden.Babeuf hatte vor der Revolution in der Picardie die Tricks der Adligen bei der juristischen Landnahme kennen gelernt und angeprangert. Nach seiner erzwungenen Übersiedlung nach Paris und während der Revolution kämpfte er gegen die Gewinner der Revolution, vor allem gegen die Handelsbourgeoisie. Sein Leben endete auf dem Schaffott (1797). Babeufs Auseinandersetzung ist Ausdruck der wachsenden Gegensätzlichkeit innerhalb des dritten Standes. Mit dieser Auseinandersetzung wurde eine weit größere eingeläutet, nämlich jene zwischen den Arbeitern der Manufakturen der beginnenden industrialisierten Produktionsprozesse und den Eigentümern der Betriebe, den Händlern und Bankiers.Geistig wurden die veränderten sozialen Gegebenheiten und Auseinandersetzungen von einer neuen Generation früher Sozialisten begleitet. Sie hatten neue gesellschaftliche Tatbestände zu berücksichtigen. Die Produktionsprozesse erreichten eine ungeahnte Effektivität. Die ganze Welt wurde zum Handelsschauplatz. Wissenschaft wurde produktionswirksam. Der Reichtum wuchs, die Armut blieb und wurde noch drückender empfunden. Die philosophische Aufklärung mit ihrem auf Empirie (Erfahrungswissen) und Verallgemeinerung gegründetem Wissenschaftsverständnis sowie ihrem Glauben an die Allmacht der Vernunft hatte das gesellschaftliche Selbstbewusstsein gesteigert. Die Machbarkeit des Seins, erlebt in Technik und Industrie, sowie der rasante Wandel der politischen Verhältnisse erschienen nicht mehr als Werk begnadeter Eliten, sondern als Ergebnis der Wissenschaft, des Managements und der Arbeitsorganisation. Voraussetzung und Grundlage der Weltveränderungstheorien war die menschliche Handlungsfähigkeit kraft freien Willens: Wenn sich die Produktion änderte und das politische Leben, warum sollten sich dann Aneignung und Verteilung der Güter in der Gesellschaft nicht ändern und nach wissenschaftlichen Erkenntnissen neu eingerichtet werden?Alles ist machbar. Es ist nur notwendig, die richtigen Kräfte zu finden, zu bündeln und zu organisieren. Die neue Generation der frühen Sozialisten war anders als ihre Vorgänger. Ihre Vertreter waren Wissenschaftler und Publizisten, Unternehmer, Kaufleute, manche auch Spekulanten und Bankrotteure. Diese Sozialisten wandten sich direkt an die Öffentlichkeit: Sie nutzten Zeitungen und Zeitschriften, und sie sammelten Anhänger um sich. Sie und ihre Anhänger waren Vorläufer der modernen sozialistischen Parteien.Die wichtigsten Frühsozialisten kommen zweifellos aus Frankreich, so Claude Henri de Rouvroy, Graf von Saint-Simon, Charles Fourier und Pierre Joseph Proudhon. Unter den Engländern ist vor allem Robert Owen zu nennen, unter den Deutschen sind es Wilhelm Weitling und Moses Hess.Neu an ihren Überlegungen waren drei Aspekte: Zum einen sahen sie in der neuen bürgerlichen Gesellschaft, so wie sie sich darstellte, keine Lösung der grundlegenden sozialen Gegensätze. Zum anderen suchten sie die Ursachen der sozialen Gegensätze in den Mechanismen der industriellen Produktion selbst und nicht mehr in einer Abweichung vom Ideal. Des Weiteren verbündeten sie sich mit den neuen sozialen Kräften und fanden diese entweder in der Intelligenz und den gehobenen Arbeiterschichten (Saint-Simon), im Zusammenwirken von Arbeitern und Unternehmern (Owen), unter den Kleingewerbetreibenden und Handwerkern (Weitling) oder unter den Fabrikarbeitern selbst (Fourier, Proudhon). Und schließlich fassten sie die bestehende Zivilisation nur als ein zeitweiliges Stadium auf, dem eine neue, andere Gesellschaft folgen sollte.Die englischen Ökonomen Adam Smith und David Ricardo entdeckten, dass die produktive Arbeit in Verbindung mit den verwendeten Werkzeugen, Maschinen und Rohstoffen unter Nutzung der vorhandenen Naturgegenstände und -kräfte den gesellschaftlichen Reichtum schafft (Arbeitswerttheorie) und nicht primär der Handel, wie die Merkantilisten annahmen, oder der Raub — eine These, die noch Rousseau vertrat. Damit erhielt die nationalökonomische Begründung von der Entstehung und Entfaltung des Eigentums eine neue Dimension. Robert Owen folgerte daraus, dass die Verteilung zwischen Unternehmer und Arbeiter geändert werden müsste. Der Arbeiter sollte einen höheren Anteil am Mehrprodukt erhalten. In Owens Betrieben wurden unter anderem Krankenversicherung, Altersvorsorge und betriebliche Ausbildung eingeführt. Außerdem wurde die Allmacht des Unternehmers gebrochen. In dem von Owen begründeten Fabriksystem waren alle Arbeitenden gleichberechtigt. Weiterhin sollten alle Zwischenstufen der Aneignung des Mehrprodukts durch Händler eliminiert werden. Owen war ein erfahrener Unternehmer. 1799 führte er in Schottland sein Fabriksystem in Form eines sozialen Experiments ein. Die Arbeitsfreude der Arbeiter und die Produktivität wuchsen. Dennoch konnte sich sein Unternehmen in der Konkurrenz nicht behaupten.Ähnliches schlug Fourier mit seinem Phalanxsystem vor. Unter Phalansterien (phalanstères) oder Phalangen verstand er Organisationsformen der Produktion und des gesellschaftlichen Lebens auf einem Territorium. Nicht die Fabrik sollte die Organisationseinheit sein, sondern ein Gebiet kommunaler Selbstverwaltung, in dem alle lebensnotwendigen Produktionszweige und auch alles Notwendige für Erziehung, Ausbildung, Kultur und Bildung vorhanden war.Fourier begründete ihre Notwendigkeit aus dem elementarsten Recht der Menschen, sich zu ernähren. Zwar sollte die Phalange den Armen (das sind bei Fourier die Eigentumslosen allgemein), wenn nötig, Brot und Unterstützung geben, doch sollte das nicht die Regel sein. Denn die Armen, meinte er, gewöhnten sich, wie das Beispiel Englands zeige, an ein Leben ohne Arbeit. Erst Arbeit aber ermögliche ein ausgefülltes Leben. Die Aufgabe der Phalange sei es, die Arbeit zu organisieren, um aus ihr heraus das gesellschaftliche Leben und die Moral bis in die Familie hinein zu gestalten. Fourier war ein Anhänger der freien Liebe, was ihm viel Kritik einbrachte.Saint-Simon, Fourier und Owen waren Sozialisten des Industriezeitalters. Mit Saint-Simon begann die Suche nach neuen sozialen Kräften, die eine veränderte Gesellschaft hervorbringen könnten. Er rechnete mit dem Adel ab, aus dem er selbst stammte. Dabei ging es ihm in erster Linie um dessen Führungsfunktion. Früher habe der Adel noch eine solche Funktion in der Gesellschaft gehabt und sie durch Fleiß und Bildung ausgefüllt. Heute, so meinte er in der »Parabel des Saint-Simon«, würde es keine Bedeutung haben, wenn die Mitglieder der Adelsfamilien und ihr Anhang nicht mehr existierten. An ihre Stelle müsse die Klasse der Industriellen treten. Zu ihr rechnete er alle, die die Industriegesellschaft zum Leben erwecken, die Güter herstellen oder verteilen: die Bauern, die Arbeiter in den Fabriken, die Tagelöhner, die Unternehmer, die Kaufleute, Spediteure, Seeleute. Durch sie werde, wenn sich die Arbeit ungehemmt entfalten könne, ein ungeahnter Reichtum entstehen. Es wäre eine Gesellschaft ohne Kriege und ohne die Kosten einer aufwendigen Herrschaft über Menschen. Saint-Simon teilte wie die meisten seiner Zeitgenossen die Vorstellung eines unendlichen Fortschritts. So genau seine Analyse der bestehenden Zustände auch war, in seinen Zukunftsvorstellungen mischen sich, wie bei allen Sozialisten, Realität und Illusion, Utopie und Resignation.Dr. Peter KranepuhlWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Arbeiterbewegung: Anfänge der ArbeiterbewegungMarxismus: Historische EntwicklungBambach, Ralf: Der französische Frühsozialismus. Opladen 1984.Bloch, Ernst: Werkausgabe. Band 5: Das Prinzip Hoffnung. 3 Teile. Taschenbuchausgabe Frankfurt am Main 41993.Buber, Martin: Der utopische Sozialismus. Neuausgabe Köln 1967.Der Frühsozialismus. Quellentexte, herausgegeben von Thilo Ramm. Stuttgart 21968.Die Frühsozialisten. 1789-1848, herausgegeben von Michael Vester. 2 Bände. Reinbek 1970-71.Geschichte des Sozialismus, herausgegeben von Jacques Droz. Band 1 und 2. Aus dem Französischen. Frankfurt am Main u. a. 1974.Hahn, Manfred: Die methodische Erforschung des vormarxistischen Sozialismus. Bremen 1982.Höppner, Joachim / Seidel-Höppner, Waltraud: Von Babeuf bis Blanqui. Französischer Sozialismus und Kommunismus vor Marx. 2 Bände Leipzig 1975.Kautsky, Karl. Vorläufer des neueren Sozialismus, herausgegeben von Hans-Jürgen Mende. Neuausgabe Berlin 1991.Meyer, Ahlrich: Frühsozialismus. Theorie der sozialen Bewegung 1789-1848. Freiburg im Breisgau u. a. 1977.Philosophen-Lesebuch, herausgegeben von Heinrich Opitz und Hans Steußloff. Band 2. Berlin-Ost 1988.Ramm, Thilo: Die großen Sozialisten als Rechts- und Sozialphilosophen. Stuttgart 1955.Vormarxistischer Sozialismus, herausgegeben von Manfred Hahn. Frankfurt am Main 1974.Zahn, Lola: Utopischer Sozialismus und Ökonomiekritik. Berlin-Ost 1984.
Universal-Lexikon. 2012.